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Wohin mit den Schienen? In Niederbühl eine hundertfünfzig Jahre alte Diskussion

Folge 10 von Wolfgang Braun
Erstellt im Juni 2021. Digitalisiert vom Heimatverein Niederbühl-Förch e. V. im Dezember 2021
Vielen Dank unserem Gründungsmitglied Wolfgang Braun, dass wir seinen Artikel hier veröffentlichen dürfen.

Ausgangsfragen

1. Was hat Jim Knopf, der Kinderfreund aus der Augsburger Puppenkiste, mit Niederbühl zu tun?
2. Warum hätten sich Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer auf der Rheintalbahn kaum wohlgefühlt?

Vordergründig könnte man die erste Frage mit einem „NICHTS“ beantworten. Oder doch?

Jim Knopf lenkte seinen Zug, gezogen von der Lokomotive Emma, durch eine Vielzahl von Tunnel, genauso wie seit Großherzogs Zeiten Züge durch den Schwarzwald auf den Schienen der Höllental- bzw. Murgtalbahn rollten. Jim Knopf hätte in der Rheinebene niemals einen Tunnel erwartet, schon gar nicht zwischen Ötigheim und Niederbühl.


Aber gestaunt hätte er sicherlich über die Ingenieurleistung der Baumeister des 19. Jahrhunderts in Baden, denn auch heute kann man es kaum glauben, dass die “Badische Hauptbahn“ in der Rekordzeit zwischen den Jahren 1840 und 1863 fertig gestellt wurde. Sie führte von Mannheim über Heidelberg, Karlsruhe, Offenburg, Freiburg, Basel, Waldshut, Schaffhausen und Singen nach Konstanz.


Der Teilabschnitt zwischen Karlsruhe und Basel wird bis heute als „Oberrheinbahn“ bezeichnet. Vierhundert Bahnkilometer in 23 Jahre bauen! Sagen Sie dies einmal unseren „Niederbühler Tunnelbauern!“ Im Gegensatz zur heutigen Streckenführung zeigt die „Topographische Karte über das Großherzogthum Baden“ aus dem Jahr 1884 den damaligen Schienenverlauf rund um Rastatt und Niederbühl. Die Strecke verlief nahezu parallel der Murg bis auf die Höhe des BASI-Werkes zwischen Niederbühl und Kuppenheim. Dort überquerte die Bahn den Fluss. Die andere Linie führte weiter ins Murgtal.


Die Murgtalbahn (damals noch als Privatbahn bis Gaggenau betrieben) benutzte 1869 in diesem Abschnitt die Trasse der Rheintalbahn mit, die nach der heutigen Autobahnbrücke Richtung Süden abschwenkte.


An der Gedenkpyramide für die in der Badischen Revolution gefallenen preußischen Soldaten befand sich das Bahnwärterhaus.

Bildquelle, vom Autor mit Linien ergänzt: „Topographische Karte über das Grossherzogthum Baden“, www.digi.ub.uni-heidelberg.de
Bildquelle: Stadtarchiv Rastatt

Aufgrund des 1842 begonnenen Festungsbaus musste der erste Rastatter Bahnhof fast 500 m weiter südlich des heutigen Standorts - nahe der Fa. Bizerba / ehem. Waggonfabrik - gebaut werden. Heute kündet der Name „alte Bahnhofstraße“ immer noch davon. Dort befand sich der aus Holz gefertigte Bahnhof, dessen Aufnahme aus dem Jahr 1880 stammt.


Man findet sogar noch Gleise, die später zur Waggonreparatur und zu einem Industriegleis gehörten. Nach der Aufgabe der Rastatter Festung (1890) wurde im Zusammenhang mit dem Bau der strategisch wichtigen Bahn Mannheim-Rastatt-Röschwoog-Haguenau (vgl. Deutsch- Französischer Krieg 1870/71) die Trassenführung weiter nach Westen Richtung Stadtmitte verlegt. Der „neue“ (jetzige) Bahnhof wurde 1895 eröffnet. Seither verläuft die Streckenführung wie heute.


All dies können sie mittels eines Erkundungsspaziergangs nachvollziehen. Starten Sie am Feuerwehrhaus auf dem Fuß- und Radweg nach Kuppenheim. Schauen Sie, kurz nachdem Sie beim basi-Werk die Fußgängerbrücke über den Kanal erreicht haben, nach links in Richtung Murg. Dort finden Sie hinter dem Haus deutliche Spuren der Strecke, auf der im Jahr 1844 erstmalig ein Zug von Karlsruhe nach Baden Oos fuhr. Die Tatsache, dass man Richtung Baden-Baden den Streckenverlauf nur noch erahnen kann, liegt darin begründet, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bahnanlagen in diesem Bereich abgetragen wurden. Hierzu wurden u. a. die Gefangenen aus dem „Ukrainerlager“ im Münchfeld als auch die Zwangsarbeiter im Arbeitserziehungslager Niederbühl eingesetzt.


Folgendes Bild zeigt eine idealisierte Idylle der „Großherzoglichen Badischen Staatsbahn“ beim Überqueren des Kanals. Diese Zeichnung stammt aus der Feder von Professor Albert Kiefer. Albert Kiefer wurde im März 1918 in Niederbühl geboren. Bis ins hohe Alter betätigte er sich als Hochschullehrer, Künstler und Kunstpädagoge. In Niederbühl engagierte er sich er sich vor allem für den Erhalt der im Jahr 1978 abgerissenen „alten“ Kirche an der Murgtalstraße. Wenige Tage vor seinem hundertsten Geburtstag starb er. Er wurde auf dem Niederbühler Friedhof beerdigt.


Bildquelle: Niederbühler Heimatbuch, S. 166


Herausgeber

Pfarrgemeinde St. Laurentius Niederbühl, in der Kirchengemeinde Vorderes Murgtal, vertreten durch das Gemeindeteam.

Autor (Text- und Gestaltung)

Erstellt im Juni 2021

Blogbeitrag

Erstellt im Dezember 2021 vom Heimatverein Niederbühl-Förch durch Marcus Wirth

Fotografien

Sofern nichts anderes vermerkt ist, stammen die Fotografien von Wolfgang Braun

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