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Steine, die Geschichte(n) erzählen

Folge 17 von Wolfgang Braun
Erstellt im August 2021. Digitalisiert vom Heimatverein Niederbühl-Förch e. V. im Dezember 2021
Vielen Dank unserem Gründungsmitglied Wolfgang Braun, dass wir seinen Artikel hier veröffentlichen dürfen.

„Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die richtige Haltung.“

Dieses Wort von Dietrich Bonnhoefer, geb. am 4. Februar 1906 in Breslau; ermordet am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg könnte daran erinnern, dass es in unserer doch so schnelllebigen Zeit „Gut tut“, Grabmale und deren „Geschichte(n)“ näher zu betrachten. Gerade wir in unserer Gemeinde, in der bauliche Zeugnisse aus vergangenen Zeiten kaum mehr sichtbar sind, könnte der „alte Kirchplatz“ an der Ecke Murgtalstraße / Ooser-Landgraben eine Brücke zu vergangenen Tagen bilden, beherbergte doch dieser Ort als ehemaliger Dorfmittelpunkt mehrere Jahrhunderte lang die Kirchen und – rund um diese – den Gottesacker (Friedhof).


Bis zum Abriss im Jahr 1978 grüßte die St. Laurentiuskirche vorbeifahrende und Besucher an der „Hirschkurve“.

Eine nicht mehr vorhandene Idylle am Ooser-Landgraben

Auf dem heutigen „alten Kirchplatz“, fast verdeckt hinter zwei Tannen stehend, laden drei Grabmale ein an Menschen zu denken, die im 18. und 19. Jahrhundert in Niederbühl segensreiche Spuren hinterließen, sei es als Pfarrer, Wirte, Ökonomieverwalter oder Oberförster.

Ein halbes Jahrhundert im Dienste der Gemeinde: Pfarrer Franz Xaver Frühe

Sein Grabmal steht auf der rechten Seite der Gruppe. Nach oben rankende Blätter säumen die Schrift und führen den Blick zum Kreuz. Bis auf den Schriftzug der weggebrochenen letzten Zeile sind die anderen Schriftzeichen noch gut lesbar:


Hier liegen die sterblichen Reste
von
Franz Xaver Frühe
Pfarrer
Geboren am 15.Oktober 1756
Zum Pfarrer ernannt am 1. März 1798
Gestorben am 14, Oktober 1840

… Kinder liebt einander und …?

Pfarrer Frühe war 34 Jahre alt, als im Jahr 1790 die Niederbühler Kirche aufgrund Baufälligkeit einstürzte. Sie wurde 90 Jahre zuvor von französischen Truppen niedergebrannt und konnte – aufgrund der schwierigen finanziellen Lage – nur notdürftig aufgebaut werden. Pfarrer Frühe, zwischenzeitlich zum Dekan ernannt, war ein großer Wohltäter für die Gemeinde, hatte er doch einen Armenfonds gegründet. Im Großherzoglich Badischen Staats- und Regierungsblatt aus dem Jahr 1841 (39. Jahrgang) können wir lesen:


„Der Stiftung des zu Niederbühl verstorbenen Pfarrers Franz Xaver Frühe von 3000 fl. in den dortigen Armenfond, wovon der Zinsertrag … zur Unterstützung der Armen in Niederbühl und dem Filialorte Förch verwendet werden soll, ist die Staatsgenehmigung erteilt worden.“

fl war eine gebräuchliche Abkürzung für die Währung Florin, deren Herkunft Florenz war, wo er 1252 erstmals geprägt wurde. Die Umrechnung alter Werte zur aktuellen Währung gestaltet sich schwierig, da es große Unterschiede bei den Kosten für Arbeit und Güter im Lauf der Jahrhunderte gibt. Im Jahr 1850 entsprach 1 fl. ca. 20,00 €.


Erinnerungskultur bedeutet auch, die Kalenderdaten der Bestatteten in die jeweilige Zeit einzuordnen. So veränderte das Datum des Dienstbeginns von Pfarrer Frühe die Welt, begann doch in diesem Jahr, am 14. Juli 1789, die Französische Revolution. Er erlebte die Amtszeit von Napoleon und war „Zeitgenosse“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791), Ludwig van Beethoven, (1770 - 1827), Friedrich Schiller (1759 - 1805) und Johann Wolfgang v. Goethe (1749 - 1832). Zurück zu Niederbühl / Förch:


Im „Hof- und Staatshandbuch des Großherzogtums Baden“, 1838 finden sich u. a. folgende Angaben zu Niederbühl / Förch. Danach ist Niederbühl als „Pfarrdorf“ mit 695 katholischen Einwohnern registriert. Evangelische Christen – es waren nur 3 von 172 – lebten in Förch. Somit betrug die Gesamteinwohnerzahl 870.


Das in der Gruppe der Steine links stehende Grabmal erinnert an das Wirken von Pfarrer Franz Engelbert Clemens, geb. 1731, gest. 1807. Er wirkte von 1766 -1786 als Pfarrer in Niederbühl. In einer Chronik wird er als „Wohltäter seiner Gemeinde“ beschrieben, was sich u. a. in der Unterstützung von Armen, aber auch in der Förderung von Begabten ausdrückte. Sein besonderer „Schützling“ war Anton Hermann, Ökonomierat in Karlsruhe. Dieser hat das Grabmal zu Ehren seines Lehrmeisters errichten lassen. Ein oben auf dem Grabstein angebrachter Totenschädel zeigt die Vergänglichkeit unseres Seins und wirkt geradezu furchteinflößend. Zentraler „Blickfang“ ist der Kelch, umgeben von Lilien. Auf seinem Grabstein steht (leider oft unleserlich):


„Hier ruht Franz Engelbert Clemens
(??) daselbst 44 Jahre Pfarrer
und im 76. Jahr seines (??)
des Jahres 1807 begraben

Hier ruht auch
Anton Herman, ÖKONOMIERATH in CARLSRUHE

Hierorts ruht auch meine Erzieherin und zweite Mutter Maria
Anna Rosalie Clemens, gest. am 16.3.1812, alt 76 Jahr.“

Pfarrer Franz Engelbert Clemens begann in Niederbühl exakt seinen Dienst in dem Jahr, als Amerika sich von England als unabhängig erklärte. Seine "geliebte zweite Mutter" (Schwester) starb, als Napoleon den Russlandfeldzug begann. Pfarrer Clemens starb nach der katastrophalen Niederlage des preußischen Heeres bei Jena. Nach den Verhandlungen beim "Tilsiter Frieden" wurde das preußische Staatsgebiet halbiert. Napoleon beendete die Großmachtstellung Preußens.


In der Mitte der drei Grabmale steht ein pyramidenhaft aufragender Stein. Die leider nur noch schwer zu lesende Schrift, eingemeißelt von dem Niederbühler Steinmetz Anton Hermann (A. H.), soll den Verstorbenen durch das in der katholischen Kirche geläufigste Totengebet: “Das ewige Licht leuchte ihnen – im Jahre 1852 A. H.“ Gott anempfehlen. Seit dem Urchristentum betet man Bußpsalmen, deren wichtigster und bekanntester der Psalm 130, das De profundis ist. Unter Beibehaltung der Orthografie können wir weiter lesen:


UNSERM VATER
Michael Herrmann

BURGER DAHIER AUS LIEBE UND DANKBARKEIT
ERICHTET V. SEINEN KINDERN
Anton Herrmann
GROSSHERZOGLICHER BADISCHER Professor und Oeconomie VERWALTER

Wilhelm – OBERFERSTER
Franz - HIRCHWIRTH
Friederich – ENGELWIRTH
Maria Orsa - Schwanenwirtin

Zu Niederbühl 1821

HIER RUHEN DIE GEBEINE UNSERE ELTERN
M. HERRMANN, gest. April 1820 alt 65 Jahr
und der MUTTER GENEOEVA geb. MATTERN
gest. JÄNER 1830 alt 73 Jahr

Fazit: Auf unserem „alten Kirchplatz“ stehen in Stein gemeißelte Erinnerungen.

Diese Grabmale sind Ausdruck der Liebe und des Dankes, der Ehrfurcht und Wertschätzung gegenüber den Toten. Nach dem Tod gibt es nur noch die Erinnerung. Liegt der Tod aber – wie in unserem Fall – Jahrhunderte zurück, sollten wir uns fragen, ob wir diese Erinnerungskultur weiter pflegen wollen oder nicht. Natürlich erinnern wir uns nicht an die dort Bestatteten, aber wir können uns sehr wohl angesichts der Jahreszahlen ihres Todes klar machen, in welchen Zeiten diese Menschen wirkten.


Unter der Hoffnung, der starke Autoverkehr auf der Murgtalstraße wird einmal der Vergangenheit angehören (die Hoffnung stirbt nie) wäre es aus der Sicht des Altenwerkes zu begrüßen, diesen Platz gärtnerisch so zu gestalten, dass er zu einem Ort der Ruhe, der Begegnung und des Erinnerns werden kann.


Herausgeber

Pfarrgemeinde St. Laurentius Niederbühl, in der Kirchengemeinde Vorderes Murgtal, vertreten durch das Gemeindeteam.

Autor (Text- und Gestaltung)

Erstellt im August 2021

Blogbeitrag

Erstellt im Dezember 2021 vom Heimatverein Niederbühl-Förch durch Marcus Wirth

Fotografien

Sofern nichts anderes vermerkt ist, stammen die Fotografien von Wolfgang Braun

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